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Stimmen hören_Stuhlfelden Mai 2010

Eine akustische Intervention im öffentlichen Raum von Wolfgang Seierl im Rahmen von Wahre Landschaft



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Montag, 3. Mai bis Dienstag, 11. Mai 2010 jeweils 10 bis 19 Uhr
Stuhlfelden - Oberpinzgau

Samstag, 8. Mai, 14.00 – ca. 16.00 Uhr Projektpräsentation in Form einer geführten Wanderung zu den Projektstationen, Treffpunkt vor dem Gemeindeamt Stuhlfelden, Teilnahme frei!

Samstag, 8. Mai, 19.00 Uhr öffentliche Präsentation und Diskussion im Schloss Lichtenau/Stuhlfelden mit Bürgermeisterin Sonja Ottenbacher, Eintritt frei!

Die Hörstationen: 1 Gemeindeamt 2 Dorfbunnen 3 Geiger – Backofen 4 Waldkapelle 5 Bürglhütte 6 Nepomukkapelle 7 Ölberg 8 Kriegerdenkmal 9 Saueck-Kapelle 10 Ebenwald – Madonna 11 Pfarrkirche 12 Volksschule | Hörprobe

Künstlerische Mitarbeit:
Esther Moises und Manuel de Roo


Kontakt und Information:
wolfgang(at)seierl.com


Die Idee:

In seinem Buch The Origin of Concsiousness in the Breakdown of the Bicameral Mind  stellt Julian Jaynes die Theorie auf, dass das menschliche Bewusstsein sich aus einer halluzinatorischen Geistesart erst vor etwa 3000 Jahren entwickelt hat und sich noch immer weiterentwickelt.
Dieses so genannte Zweikammernsystem der menschlichen Psyche entstand aufgrund der wachsenden menschlichen Gesellschaft. Nach Jaynes war es vor allem das Treffen von Entscheidungen, das die Evolution des menschlichen Gehirns zeitigte: ab dem genannten Zeitpunkt hörten die Menschen Stimmen, die ihnen sagten, was sie tun sollten und nannten diese Stimmen Götter. Diese Stimmen waren die Stimmen der erfahrenen Stammesältesten bzw. ihrer Vorfahren, der toten Könige. Durch das weitere Anwachsen der alten Gesellschaften ging dieses Zweikammernsystem und damit die halluzinatorische Fähigkeit der Menschen wieder verloren.
Unsere von unseren Vorfahren bleibenden Dokumente sind stumm. Von den kleinen Fotografien, die manchmal noch die Gräber schmücken bis hin zu den Denkmälern und Heiligenfiguren, die uns erinnern oder mahnen wollen, sind es Bilder, die uns im Gedächtnis bleiben, keine Stimmen mehr.

In meinem Projekt Stimmen hören beziehe ich mich auf die faszinierende Theorie Julian Jaynes’, wonach die Skulpturen und Bilder der alten Welt die Funktion hatten, die Stimmen der Götter (bzw. unserer Vorfahren) in uns leichter vernehmbar zu machen und uns dabei zu helfen, Entscheidungen zu treffen. Heute steht die so genannte Informationsgesellschaft vor dem Problem der Überfülle an Information, die einer Orientierungslosigkeit Raum gibt und uns Menschen erneut Entscheidungen schwer macht.

In kleinen Klanginstallationen bzw. subtilen klanglichen Interventionen in den Bereich der genannten Bild- und Skulpturtradition möchte ich auf diese inneren, verloren gegangenen Stimmen aufmerksam machen. Das Ausgangsmaterial zu diesen Klanginstallationen bzw. Klangarbeiten sollen Aufnahmen von Gesprächen mit den Ältesten unserer Gesellschaft, deren Erfahrungen und Wissen im Überangebot der heutigen Informations-gesellschaft allzu oft ungehört bleiben und letzten Endes fehlen werden, sein. Vor allem im ländlichen Bereich sehe ich ein solches Unterfangen als fruchtbar, weil dort die Tradition in noch größerem Widerspruch zur modernen Informationsgesellschaft steht. Das Projekt zielt auf die Aktualisierung unseres Bewusstseins für orale Überlieferung, für den Wert der Erfahrung älterer Menschen, für Tradition und menschliches Zusammenleben sowie auf positive Aufmerksamkeit für die Rolle der zeitgenössischen Kunst im Zusammenhang mit Lebensprozessen.

Das Projekt:

In der Salzburger Gemeinde Stuhlfelden im Oberpinzgau besuche ich die Gemeindeältesten (aber vielleicht ergänzend auch Kinder, die noch einen unbeschwerten Zugang zur Welt haben), um mit ihnen Gespräche über ihr Leben, ihre Einstellung zu den Veränderungen, die sich im Lauf ihres Lebens in Wissenschaft, Politik und Kultur ergeben haben, ihre Erfahrungen etwa während des Krieges und der Nachkriegszeit, über ihre Familie, spirituelle Themen, die Arbeit usw. zu führen.
Die O-Tonaufnahmen dieser Gespräche bearbeite ich und verbinde sie mit musikalischen Elementen, mit Naturaufnahmen oder sonstigem Tonmaterial aus dem Ort.

An in Rücksprache mit der Gemeinde bzw. sonstigen Verantwortlichen (Pfarrer, Private) etwa zwölf ausgewählten Orten werden kleine Lautsprechersysteme angebracht, die über Audioabspielgeräte (iPod) die Gesprächsdokumente sozusagen veröffentlichen und mit diesen Orten (Skulpturen, Denkmäler, Grabsteine, Heiligenfiguren, Kruzifixe, Engel über dem Eingang der Bürglhütte, Gemeindebrunnen usw.) verbinden bzw. verknüpfen. Auf diese Art werden diese Ikonen der Vergangenheit wieder lebendig, bekommen Stimmen, die uns mit unseren Ansichten und Problemen in ein aktualisiertes, dynamisches, lebenskulturelles System einbinden können. Diese von vielen Menschen in Zeiten der medialen Bilderfluten oft nicht mehr wirklich wahrgenommenen aber dennoch wirkenden Relikte vergangener Zeiten werden wieder zu aktuellen, sprechenden Kunst-Orten.

Dank an Erna Gandler, Adolf Gruber, Altdechant Peter Hofer, Lina und Hans Keil, Franz Pfeffer, Theo Schett, Anna Steger (Oberbäckn), Anna Steger, Maria und Sepp Wolf und die Volksschule Stuhlfelden



Realisierung und Präsentation im Mai 2010 in Stuhlfelden/Oberpinzgau in Zusammenarbeit mit Esther Moises und Manuel de Roo.


logo land salzburggefördert von der Kulturabteilung der Salzburger Landesregierung, Dank an die Gemeinde Stuhlfelden                                                                                                         


 16_03_2010
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